Ein Gespräch über Aris Kalaizis zwischen Andrea Sawatzki und Tina Simon
Ein kurzer Dialog über die Entstehung der Zusammenarbeit zwischen einer Schauspielerin und einem Maler. Von Andrea Sawatzki und Dr. Tina Simon
Simon: Gibt es für Sie eine besondere Beziehung zur bildenden Kunst? Zur modernen Kunst? Zur Malerei?
Sawatzki: Ich liebe beinahe jede Form der Kunst. In meiner Jugend mochte ich die blaue Phase Picasso‘s, die gab mir Trost. Später dann die opulenteren Werke von Klimt, später Schiele. Jetzt bewundere ich Richter, Rothko…viele mehr. Wirklichen Zugang zur zeitgenössischen Malerei habe ich in Leipzig bei einem Rundgang in der Leipziger Spinnerei erhalten. Das war für mich ein unglaublich erfüllendes Erlebnis und führte ja auch zu dem glücklichen Tatbestand, dass wir jetzt auch einen echten Kalaizis haben!
Aber auch die alten Meister haben mich immer sehr beeindrucken können. Dabei konnte ich mich nie wirklich auf eine bestimmte Epoche festlegen. Nach den vielen Jahren, in denen mein Mann und ich eher alte Malerei gesammelt haben, widmen wir uns seit einiger Zeit der modernen Kunst. Ansonsten habe ich schon immer ein Faible für das Malen gehabt. Jetzt erweist sich unser jüngster Sohn Bruno als wahres Talent und wir möchten seine Begeisterung gern erhalten und teilen.
TS: Wie ist es zu einer Zusammenarbeit zwischen Kalaizis und Ihnen gekommen, waren Sie neugierig oder skeptisch?
AS: Für mich war von Anfang an klar, dass ich Aris einmal Modell stehen würde. Seine Bilder sind überwältigend und wir sind nun auch stolze Besitzer des Gemäldes“ Der Tag der grossen Hoffnung“ (2007). Mein Mann Christian Berkel hatte ja bereits für ein anderes Kalaizis – Bild Modell gestanden („Vergegenwärtigung des Vergangenen“, 2010). Ich habe zugesagt, weil ich eine wahre Bewunderin bin.
TS: Was ist anders, unter der „Regie“ eines Malers zu agieren? Hatten Sie sich das so vorgestellt? Oder ganz anders?
Nein, ich hatte mir es genau so vorgestellt. Der Schauspieler ist ja immer auf seine Phantasie angewiesen, auf das Erfinden einer eigenen Geschichte. So war das auch in dem phänomenalen Bühnenbild zu „Das Blumenhaus“ (2011), das Aris entworfen hatte. Das Schicksal der Frau, zu der ich für das Bild wurde, breitete sich sofort klar vor meinen Augen aus. Ich ahnte, was passiert war, ohne es zu wissen. Natürlich wird jeder Betrachter das Bild anders interpretieren. Aber das genau ist der Reiz der Kalaizis-Bilder. Aris erzählt in seinen Bildern Geschichten, bezieht einen in das Leben unterschiedlicher, menschlicher Konfliktsituationen ein und lässt dem Betrachter am Ende doch die Freiheit seiner Deutung.
TS: Waren Sie vorbereitet? Hat der Maler Sie in sein Bildkonstrukt eingeweiht? Oder haben Sie einfach Vertrauen?
…als Schauspielerin kann mich nichts erschüttern
AS: Aris hatte mir ein Foto des Bühnenbildes geschickt und ich war sofort angezogen davon und auf eine Weise auch vorgewarnt, weil klar wurde, dass im Leben der Protagonistin etwas schlimmes passiert sein muss. Trotzdem kann man die Geschichte im Kopf weiterspinnen und zu einem guten Ende bringen. Für Aris hätte ich aber in jedem Motiv Modell gestanden. Als Schauspielerin kann mich nichts erschüttern.
Es ist kein Portrait! Als Protagonistin des Kunstwerks leihen Sie einer aufgeladenen Kunstfigur Ihr Gesicht und Ihre Erscheinung und Ihre Erscheinung für eine unabsehbare Geschichte – und das ggf. auf ewig. Beschäftigt Sie das?
Ich leihe meinen Körper, nicht nur mein Gesicht. Das mache ich als Schauspielerin immer. Ich muss eine Geschichte mit dem Regisseur entwickeln, mich seiner Vorstellung, seinem Bild, einfügen und trotzdem präsent sein und eine eigene Körpersprache einfordern. Und das man mich nicht vorspulen kann, finde ich schön.
TS: Die Deutung eines Kunstwerks ist sicher noch stärker als beim Film der Willkür des Betrachters überlassen. Hält man das aus?
AS: Das ist das Spannendste. Ich möchte den Betrachter ja nicht mit der eigenen Idee überfrachten sondern durchlässig bleiben und Phantasien freisetzen.
TS: Sie haben geduldig über einen längeren Zeitraum und bei brütender Hitze ausgeharrt, was ging Ihnen dabei durch den Kopf?
AS: Dass ich Lust hätte, das Leben jener Frau weiter zu spielen. Vor oder kurz nach diesem Moment.
TS: Würden Sie anderen Künstlern ebenso zur Verfügung stehen? Oder gibt es etwas an Kalaizis‘ Werk, was Ihre Bereitschaft „begünstigt“ hat?
AS: Ich mache mich bei solchen Anfragen immer rar, weil ich die Befürchtung nicht loswerde, jemand möchte mich, weil sich das dann vielleicht momentan besser vermarkten lässt. Bei Aris weiß ich, dass er mich meint und dass er über seine Bilder sehr lange nachdenkt, gefällt mir. Er hat nach einer Situation für mich gesucht, für eine Frau, die mir wesensmäßig und als Erscheinung gleicht oder vielleicht sogar eins werden kann mit mir. Das ist ein Geschenk für mich. Ich bin jetzt Teil von Aris’ Bilderwelt.
©Andrea Sawatzki | Tina Simon | Steffen Junghans (Fotos)
Andrea Sawatzki, geb. 1963, ist eine deutsche Schauspielerin und Buchautorin. Einem größeren Publikum wurde sie durch den 1997 erschienenen Kinofilm „Die Apothekerin“ bekannt. Darüber hinaus spielte sie in mehreren erfolgreichen Filmen wie „Das Experiment“ oder „Leo und Claire“. Sie gilt als eine der bekanntesten deutschen Schauspielerinnen. Sie lebt mit ihren Mann Christian Berkel und ihren beiden Kindern in Berlin