Aris Kalaizis

Ein Gespräch über Aris Kalaizis zwischen Andrea Sawatzki und Tina Simon

Andrea Sawatzki und Aris Kalaizis während der Arbeiten im Grafischen Hof, Leipzig (2011)
Andrea Sawatzki und Aris Kalaizis während der Arbeiten im Grafischen Hof, Leipzig (2011)

Ein kur­zer Dia­log über die Entstehung der Zusammen­arbeit zwis­chen ein­er Schaus­piel­er­in und einem Maler. Von Andrea Sawatzki und Dr. Tina Simon

Simon: Gibt es für Sie eine beson­dere Bez­iehung zur bildenden Kunst? Zur mod­ernen Kunst? Zur Malerei?


Sawatzki: Ich liebe bei­nahe jede Form der Kunst. In mein­er Jugend mochte ich die blaue Phase Picasso‘s, die gab mir Trost. Später dann die opu­lenter­en Werke von Klimt, später Schiele. Jet­zt bewun­dere ich Richter, Rothko…viele mehr. Wirk­lichen Zugang zur zeit­genöss­is­chen Malerei habe ich in Leipzig bei einem Rundgang in der Leipzi­ger Spin­nerei erhal­ten. Das war für mich ein unglaub­lich erfül­lendes Erleb­nis und führte ja auch zu dem glück­lichen Tat­be­st­and, dass wir jet­zt auch ein­en echt­en Kala­izis haben!
Aber auch die alten Meister haben mich immer sehr beeindruck­en können. Dabei kon­nte ich mich nie wirk­lich auf eine bestim­mte Epoche festle­gen. Nach den vielen Jahren, in den­en mein Mann und ich eher alte Malerei ges­am­melt haben, wid­men wir uns seit ein­i­ger Zeit der mod­ernen Kunst. Anson­sten habe ich schon immer ein Faible für das Malen gehabt. Jet­zt erweist sich unser jüng­ster Sohn Bruno als wahres Tal­ent und wir möcht­en seine Begeister­ung gern erhal­ten und teilen.


TS: Wie ist es zu ein­er Zusammen­arbeit zwis­chen Kala­izis und Ihnen gekom­men, war­en Sie neu­gierig oder skeptisch?


AS: Für mich war von Anfang an klar, dass ich Aris ein­mal Mod­ell stehen würde. Seine Bilder sind über­wälti­gend und wir sind nun auch stolze Besitzer des Gemäldes“ Der Tag der grossen Hoffnung“ (2007). Mein Mann Chris­ti­an Berkel hatte ja bereits für ein anderes Kala­izis – Bild Mod­ell gest­anden („Verge­gen­wär­ti­gung des Ver­gan­gen­en“, 2010). Ich habe zugesagt, weil ich eine wahre Bewun­der­in bin.


TS: Was ist anders, unter der „Regie“ eines Malers zu agier­en? Hat­ten Sie sich das so vorges­tellt? Oder ganz anders?


Nein, ich hatte mir es genau so vorges­tellt. Der Schaus­piel­er ist ja immer auf seine Phant­as­ie angew­iesen, auf das Erfind­en ein­er eigen­en Geschichte. So war das auch in dem phänom­enalen Bühnen­bild zu „Das Blu­men­haus“ (2011), das Aris ent­wor­fen hatte. Das Schick­sal der Frau, zu der ich für das Bild wurde, breit­ete sich sofort klar vor mein­en Augen aus. Ich ahnte, was passiert war, ohne es zu wis­sen. Natür­lich wird jeder Betrachter das Bild anders inter­pretier­en. Aber das genau ist der Reiz der Kala­izis-Bilder. Aris erzählt in sein­en Bildern Geschicht­en, bez­ieht ein­en in das Leben unter­schied­lich­er, mensch­lich­er Kon­f­likt­situ­ation­en ein und lässt dem Betrachter am Ende doch die Freiheit sein­er Deutung. 


TS: War­en Sie vorbereit­et? Hat der Maler Sie in sein Bildkon­strukt einge­wei­ht? Oder haben Sie ein­fach Vertrauen?


…als Schaus­piel­er­in kann mich nichts erschüttern


AS: Aris hatte mir ein Foto des Bühnen­bildes geschickt und ich war sofort angezo­gen dav­on und auf eine Weise auch vorge­warnt, weil klar wurde, dass im Leben der Prot­ag­on­istin etwas schlim­mes passiert sein muss. Trotzdem kann man die Geschichte im Kopf weit­er­spinnen und zu einem guten Ende brin­g­en. Für Aris hätte ich aber in jedem Motiv Mod­ell gest­anden. Als Schaus­piel­er­in kann mich nichts erschüttern.
Es ist kein Por­trait! Als Prot­ag­on­istin des Kunstwerks lei­hen Sie ein­er aufge­laden­en Kun­st­fig­ur Ihr Gesicht und Ihre Erschein­ung und Ihre Erschein­ung für eine unab­se­hbare Geschichte – und das ggf. auf ewig. Beschäftigt Sie das?
Ich leihe mein­en Körp­er, nicht nur mein Gesicht. Das mache ich als Schaus­piel­er­in immer. Ich muss eine Geschichte mit dem Regis­seur entwick­eln, mich sein­er Vor­stel­lung, seinem Bild, ein­fü­gen und trotzdem präsent sein und eine eigene Körper­sprache ein­fordern. Und das man mich nicht vor­spu­len kann, finde ich schön.


TS: Die Deu­tung eines Kunstwerks ist sich­er noch stärk­er als beim Film der Willkür des Betrachters über­lassen. Hält man das aus?


AS: Das ist das Spannend­ste. Ich möchte den Betrachter ja nicht mit der eigen­en Idee über­fracht­en son­dern durchlässig bleiben und Phant­as­i­en freisetzen.


TS: Sie haben geduldig über ein­en länger­en Zeitraum und bei brütender Hitze aus­ge­har­rt, was ging Ihnen dabei durch den Kopf?


AS: Dass ich Lust hätte, das Leben jen­er Frau weit­er zu spielen. Vor oder kurz nach diesem Moment. 


TS: Würden Sie ander­en Künst­lern ebenso zur Ver­fü­gung stehen? Oder gibt es etwas an Kala­izis‘ Werk, was Ihre Bereit­schaft „begün­stigt“ hat?


AS: Ich mache mich bei sol­chen Anfra­gen immer rar, weil ich die Befürch­tung nicht loswerde, jemand möchte mich, weil sich das dann viel­leicht momentan bess­er ver­mark­ten lässt. Bei Aris weiß ich, dass er mich meint und dass er über seine Bilder sehr lange nachden­kt, gefällt mir. Er hat nach ein­er Situ­ation für mich gesucht, für eine Frau, die mir wesens­mäßig und als Erschein­ung gleicht oder viel­leicht sog­ar eins wer­den kann mit mir. Das ist ein Ges­chenk für mich. Ich bin jet­zt Teil von Aris’ Bilderwelt.

... Aris Kalaizis, Andrea Sawatzki mit ihrem Sohn Bruno (2011)
... Aris Kalaizis, Andrea Sawatzki mit ihrem Sohn Bruno (2011)

©Andrea Sawatzki | Tina Simon | Stef­fen Junghans (Fotos)


Andrea Sawatzki, geb. 1963, ist eine deutsche Schaus­piel­er­in und Buchautor­in. Einem größer­en Pub­likum wurde sie durch den 1997 erschienen­en Kino­film „Die Apo­theker­in“ bekan­nt. Darüber hinaus spielte sie in mehr­er­en erfol­greichen Fil­men wie „Das Exper­i­ment“ oder „Leo und Claire“. Sie gilt als eine der bekan­n­testen deutschen Schaus­piel­er­innen. Sie lebt mit ihren Mann Chris­ti­an Berkel und ihren beiden Kindern in Berlin

© Aris Kalaizis 2024