Ich bin kein Fremdenführer
Ein kurzes Interview zwischen Erhard Metz vom Frankfurter Feuilleton und Aris Kalaizis über die Entstehung des Bartholomäus-Bildes sowie die Präsentation im Dom zu Frankfurt
Metz: Wie kam es zu der Idee, sich der Bartholomäus-Legende malerisch anzunähern?
Kalaizis: Recht früh, im Zuge meiner Ausstellung im Dommuseum 2014. Prof. Dr. August Heuser machte mit mir einen Rundgang durch das innere des Kirchenschiffes. Anschließend tranken wir einen Kaffee und er stellte mir eher halbernst die Frage, ob ich mir vorstellen könne, mich an den Bartholomäus heranzuwagen. Was eigentlich als kleiner Spaß gedacht war, entpuppte sich später als ernstes Spiel.
M: Wie ging es weiter?
K: Als die Sache viel später Gestalt annahm, antwortete ich ihm, dass ich kein Fremdenführer sei und niemals die Orte des Vergangenen unreflektiert zu begehen gedenke. Auch alte Stoffe wie dieser müssen nach vorne, in das Eschatologische gemalt werden. Ich sagte ihm aber auch: Wenn ich aber das Gefühl habe, den Bartholomäus-Stoff in unsere Zeit zu transformieren, könne ich mir schon vorstellen, die Bartholomäus-Legende sozusagen nach vorne zu erzählen.
M: Ergibt sich daraus nicht ein Konflikt mit einer Institution, die sich als Bewahrer des Vergangenen versteht?
…bin kein Fremdenführer, der die Orte des Vergangenen unreflektiert begeht
K: Das ist nicht zu leugnen. Ich bin dennoch optimistisch, da sich meine Zuversicht gerade aus der Begegnung mit dem Einzelnen speist. Schauen wir mal, was über die Präsentation meines Bildes im Dommuseum geschieht, schauen wir einmal, wie der Stadtdekan Frankfurts zu diesem Bild steht und sind wir gespannt, wie die Frankfurter auf dieses Gemälde reagieren.
M: Kannten Sie die Bartholomäus-Legende?
K: Als Freund Stefan Lochners sowie als ein noch größerer Freund des spanischen Barockes war mir die Bartholomäus-Gestalt sehr wohl bekannt. Bis zum heutigen Tage sehr nahe sind von jeher die gewaltigen Darstellungen Jusepe Riberas. Als ich mich dann entschloss, das Bild zu malen, hatte ich aber zwei Probleme zu überwinden: Den alten Zauber, den du so nicht noch einmal aufzuführen brauchst und die Schwierigkeit im Umgang mit Figuren der Zeitgeschichte. Ein schwieriges Feld, weil man zum einen sehr schnell glorifizierend, zum anderen verklärend werden kann. Beides wollte ich nicht. Wie in meinem Papstbild "make/believe" hat mich ein dritter Weg interessiert, ein Weg für diejenigen, die ohne vorschnelle Ablehnung und Befürwortung, andere Möglichkeitspfade suchen. Es gab aber noch ein wichtiges Moment, das Bartholomäus-Gemälde anzugehen: Der Geschichtslosigkeit unserer Zeit malend zu entgegnen. Auch dafür schien mir der Bartholomäus gut geeignet.
M: Gibt es im inneren des Frankfurter Doms, Darstellungen wie etwas das Gemälde von Onghers, das sie angeregt hat?
K: Nein, der Onghers hat mich nicht im Geringsten interessiert. Über die Schändungs- und Todesarten gibt es in Bezug zum Hl. Bartholomäus die wildesten Erzählformen. Ich habe mich des Themas unter der Prämisse angenommen, ein letztlich formal zwingendes Bild zu erschaffen. Ohne diese Voraussetzung können sie als Maler gleich im Bett liegen bleiben. Ob dabei der überlieferte Stoff hilfreich oder weniger hilfreich und überhaupt als historisch zu bezeichnen ist, war für mich stets von sekundärer Natur. Viel wichtiger war von Anbeginn, dass man das Bartholomäus-Martyrium so überzeugend malen muss, als hätte es sich so und nicht anders ereignen können.
M: Lässt sich mit ihrem Bartholomäus-Gemälde ein innerer Bezug zu ihrer eigenen Lebensgeschichte herstellen?
K: Selbstverständlich, denn meine Lebensgeschichte ist doch eng mit meiner eigenen Bildergeschichte verwoben.
Ich verknüpfe immer sehr viel mit meinen Bildern. Anders ausgedrückt: Ich lebe meine Bilder. Es gibt in meinem Atelier nicht drei, vier oder sonst wie viele Bilder. Es gibt immer nur eine einzige Leinwand und diese befindet sich auf der Staffelei. Damit ist eigentlich schon ausgedrückt, dass ich einen intensiven, beinahe kontemplativen Bezug zu meinem Wunschbild entwickeln muss, um überhaupt auf meiner Höhe arbeiten zu können. Das schlägt sich auch in meinem Leben nieder. Ich habe nicht viel davon, da und dort mit diesem oder jenen zu sprechen. Ich habe aber sehr viel davon, wenn sich in der Vertrautheit des Einzelgespräches so etwas wie Offenbarung niederschlägt, aus der ich viel Kraft für meinen Alltag beziehe – ganz im Sinne Seneca's "…Wer überall sein möchte, ist nirgendwo."
Erhard Metz, 1944 in Nordhessen geboren, arbeitete für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (ARD). Seit seiner Pensionierung als Rundfunkdirektor der ARD gründete er das Kulturportal “FeuilletonFrankfurt” (www.feuilletonfrankfurt.de).