Aris Kalaizis

Europa ist tot, es lebe Europa !

Ein nachden­kendes Gespräch zwis­chen dem Maler Aris Kala­izis und dem Ver­leger Stephan Schward­mann über die Ver­ein­fachung, die Erosion der Ver­ständi­gung sow­ie das Ver­schwinden der Empath­ie im über­reizten Blick auf die Kris­en Griechen­lands, Euro­pas und der arabis­chen Welt …

Aris Kalaizis, Europa | Öl auf Leinwand | 200 x 230 cm | 2009
Aris Kalaizis, Europa | Öl auf Leinwand | 200 x 230 cm | 2009

Schward­mann: In diesem Inter­view wird ganz entscheidend Dein Ers­chreck­en über Europa Thema sein. 
Wir haben vor, ich glaube sechs Jahren, schon ein­mal ein Inter­view geführt, in dem es eingangs um die Frage des Poten­tials polit­ischer Inter­ven­tion­en durch die bildende Kunst ging in ihr­er Fähigkeit, gewohnte Wahrnehmun­gen und Reflexe zu irrit­ier­en, sub­vers­iv aufzubrechen. Hat Dein Bedür­fnis nach prakt­ischer und intellektueller Inter­ven­tion in diesen Zeiten auch mit Dein­er Kunst zu tun? Wirkt sie hinein, kom­mt der Impuls gar daher?


Kala­izis: Selb­stver­ständ­lich bleibe ich nicht unber­ührt. Die Griechen­land­krise sow­ie die aktuelle Flücht­ling­s­prob­lem­atik umtreiben mich bei­nahe täg­lich. Es verge­ht prakt­isch kein Mor­gen, kein Abend, an dem ich nicht irgen­det­was über diese Großkris­en lese. Trotzdem wäre es töricht, als agi­er­ender Maler oder als Künst­ler wie man allge­mein sagt, dem Wel­treiben wie ein the­men­suchender Wettläufer hin­ter­her zu rennen. Dieser Wettlauf ist nicht zu gewinnen. Somit muss ich warten, bis sich ein größer­er Zusam­men­hang abzeich­net und das Polit­ische zugleich etwas Uni­ver­sales hat und somit etwas zeit­geschicht­lich Umspannendes, wenn dieser Wettlauf sozus­agen kein Sprint, son­dern ein Mara­thon ist, kann ich mir schon vor­stel­len, ihn künst­lerisch zu ver­wer­ten. Anders aus­gedrückt: Ich muss als Maler das Tele­o­b­jekt­iv bei­seite legen und das Weitwinkelob­jekt­iv ver­wenden. Man ver­nachlässigt so ein wenig die Tage­sak­tu­al­ität. Nur so ist es zu erklären, war­um ich 2009 mit meinem Bild „Europa“ malend agiert habe, auch wenn es mir aber lieber gewesen, die dar­in enthaltene Vis­ion hätte sich nie ereignet.


…bis das Polit­ische etwas Uni­ver­sales und zum Umspannenden wird


S: Du sprichst auf das Bild an, das wir in der 2009-er April-Aus­gabe des kreuzer als Cov­er gezeigt haben. 
Du hast als Sohn griech­is­cher Emig­ranten, die Ende der Vierzi­ger als Kinder und Bür­gerkriegs­flücht­linge in die DDR ent­flo­hen, natür­lich ein­en sehr spez­i­el­len Blick auf das Land Dein­er Eltern. Hat sich seit der medialen, polit­ischen und mehrheits­gesell­schaft­lichen Beschim­p­fung Griechen­lands für Dich etwas ver­ändert in der von Dir als zuver­lässig empfunden­en Selb­stver­ständ­lich­keit im Grundverstehen gesell­schaft­lich­er Prozesse?

K: Ich hätte nie gedacht, dass das Bild über eine Nation sich in kur­zer Zeit derart ins Neg­at­ive dre­hen kann. Das sind bittere Lebens­mo­mente, die ich aus­h­al­ten muss. Ich bin kein Mensch, der gut ignor­i­er­en kann, das Spielfeld ver­lässt oder die Seite wech­selt, wenn der Wind sich dre­ht. Also muss ich vieles ver­tra­gen und mein deutsche-griech­isches Naturell hil­ft mir dabei. Beide Ele­mente befind­en sich aber seit mein­er Geburt in ein­er frucht­bar­en Wech­sel­bez­iehung. Immer wenn es dem Deutschen in mir nicht gut geht, kom­mt der Grieche und hil­ft. Umgekehrt ver­hält es sich genauso. Die plumpe Roh­heit der Beschim­p­fung­s­rhet­or­ik gegenüber Griechen­land hat mich in der Tat überrascht.


Gleich­sam wurde das Griech­is­che in mir bestärkt. Ent­ge­gen viel­er bin ich nicht der Mein­ung, dass die Medi­en den Anstoß für dieses Zer­rbild geliefert haben, son­dern ein­zel­ne Politiker mit ihren Äußer­ungen den Stoff für die Auf­heizung geliefert haben. Keine Frage: Politik muss streit­bar. Das gehört zum Ringen um das bessere Argu­ment. Leider lässt sich aber auch beo­bacht­en, dass Politik mehr und mehr selbst skan­dal­is­iert, was mich besor­gt, denn das Skan­dalon war früh­er den Medi­en vorbe­hal­ten. Und ja, es bleibt die bittere Erken­nt­nis, dass es nicht viel Bedarf, um Völk­er mit abstrusen Ver­ein­fachun­gen zu stig­mat­is­ier­en. Die andere nüchterne Erken­nt­nis ist, dass wir zwar in ein­er mod­ernen, nicht aber in ein­er son­der­lich aufgeklärten Gesell­schaft zu leben schein­en und das besor­gt mich zudem und im übri­gen nicht erst seit der Griechen­land­de­batte. Ich will da über­haupt nicht in Geschicht­spess­im­is­mus ver­fal­len, aber ich stelle mir zuwei­len in sol­ch medi­al wirk­samen Zeiten, den falschen Mann zur richti­gen Zeit vor und sehe den Ver­lauf der Geschichte auf den Kopf gestellt.


S: Kön­ntest du ein Beis­piel geben?


K: Medi­al ist auf beiden Seiten hochger­üstet worden. Auf der ein­en Seite war es totaler Quatsch Madame Merkel in Nazi­uni­form zu zei­gen. Ander­er­seits war sich Merkel auch nicht zu schade, ein übles Res­sen­ti­ment vom faulen Südländer zu stricken. Nun mag man sagen, beide Seiten haben sich nichts ges­chen­kt. Jedoch haben die Griechen ihre Wut auf die Per­son Merkel und auf die Per­son Schäuble, nicht aber auf das deutsche Volk proj­iz­iert, während Merkels Her­ab­wür­di­gung das ges­amte griech­is­che Volk stig­mat­is­ierte. Im übri­gen wis­sen wir vor dem Hin­ter­grund ein­er OECD-Stud­ie, dass in Griechen­land die Aus­las­tung ein­er Arbeitss­tunde mit zu den höch­sten inner­halb der EU zählt. Das bedeutet frei­lich nicht, dass die griech­is­che Arbeitss­tunde zu den eff­iz­ien­testen zählt, da die Eff­iz­ienz nun ein­mal von mehr­er­en Faktoren bee­in­flusst wird.
Und let­zt­lich habe ich doch auch als Sohn griech­is­cher Vor­fahren das Wis­sen, wie hart meine Eltern, samt ihr­er Fam­i­li­en aus den­en sie kamen, gearbeitet haben. 


S: Ich ent­nehme dem auch die krit­ische Einsch­ätzung, dass Massenmedi­en eine Art Ein­heits­mein­ung ver­breit­en und Wider­sprüche häufig ausklammern?


K: Natür­lich ist dar­in ein Stück weit Medi­en­kritik, da Medi­en, hinter den­en ja let­zt­lich Menschen stehen, leider zu oft – so zumind­est aus mein­er Wahrnehmung – als bloßer Ver­stärk­er ein­zel­ner Politiker oder polit­ischer Strömun­gen fungier­en. Journ­al­is­mus darf sich nicht in ein­er unfiltrier­ten Wieder­käuer­ment­al­ität etablier­en. Andern­falls kom­mt der Demokratie all­mäh­lich ihr­er Fähigkeit zur Selb­stkon­trolle abhanden. Ich kann ein kleines Beis­piel aus dem Bereich sogenan­nter Bildungsmedi­en geben. Ich höre bei­nahe täg­lich den Deutsch­land­funk. In den Nachricht­en des Senders liest der Sprech­er eine beliebige Nachricht – sagen wir zur Eurokrise – vor. Danach wird noch fix ein Politiker zit­iert, der zu diesem Thema Pos­i­tion bez­ieht und die Sache ist abge­hakt. Klar, was dabei zumeist entsteht, ist Mein­ung. Der Zuhörer soll agit­iert wer­den. Richti­ger wäre es aber, die Mein­ung des ein­en Politikers der Partei X mit ein­er Mein­ung eines ander­en Politikers der Partei Y zu kon­fron­tier­en. Der Hörer müsste nun selbst akt­iv wer­den, um so etwas wie eine Hal­tung zu entwick­eln. Daraus würde ein Schuh wer­den. Ver­mut­lich hat es dam­it zu tun, dass nicht nur im Bundestag eine große Koali­tion regiert, son­dern auch im Medi­en­bereich eine Alli­anz, eine Art Print- und Medi­en­ko­ali­tion besteht, die zumeist recht ein­hellig polem­is­iert. Die Gefahr besteht aber, dass immer mehr Menschen und ich fürchte, nicht nur am recht­en Rand, sich von dieser Medi­en­ko­ali­tion abwenden.


S: Deine Medi­en­kritik ist sich­er richtig, aber die Phänome, die Du bes­chreibst sind ja nicht erst seit der Berichter­stat­tung über Griechen­land medialer All­tag. Was würde Dein­er Mein­ung nach passier­en, wenn sich Menschen, wie Du befürcht­est, von den etablier­ten Mein­ungsleitmedi­en mehr und mehr zurück­ziehen und gesell­schaft­liche Debat­ten, das Ringen um Kon­sens mög­lich­er­weise auf ander­en Wegen stattfindet? 


…die Gesell­schaft in den Köp­fen nach rechts driftet, während sie nach außen weit­er­hin links argumentiert


K: Meine Ant­wort ist recht sim­pel: Die alten Mein­ungsleitmedi­en wer­den sukzess­ive durch neue, kleinere erset­zt. Das bedeutet auch, dass Deu­tung­sho­heiten abneh­men wer­den. Angst haben muss man dav­or nicht, wenngleich wir ver­mut­lich immer mein­ungs­machenden Medi­en beg­leitet wer­den. Das Inter­net stellt ja im Grunde keine Gefahr für die Demokratie dar. Ganz im Gegen­teil: Diese Platt­form ist in sich demokrat­ischer, weil in ihr eine Beteili­gung­sof­fen­heit angelegt ist, die es so vorher nicht gab. Wir müssen dabei nur lernen, auch mit demokratieabge­wandten Mein­un­gen zu leben, ohne – wie es in Deutsch­land üblich ist – gleich die Ver­bot­skeule zu schwin­gen. Es gibt kein­en Grund pess­im­istisch zu sein, auch wenn Journ­al­is­mus im digit­al age heute schneller produziert wer­den muss und Ver­lage unter zun­ehmenden Schwi­erigkeiten leiden. Journ­al­isten, die ans Eingemachte gehen möcht­en, die tief in das innere eines Prob­lem­feldes drin­gen möcht­en, wird es immer geben. Es wird an uns Lesern lie­gen, wie wir mit dieser neuen Ver­ant­wor­tung umge­hen. Wollen wir diese Ver­ant­wor­tung nutzen, soll­ten wir als Leser akt­iver werden.


S: Hast Du dich selbst dadurch verändert?


K: Ich glaube schon. Ich misch’ mich ein, akzep­tiere im All­tag immer weni­ger den Mein­ungs­main­stream, den man im Grunde tagein, tagaus und bei genauer­en Zuhören auch durch alle Gesell­schaftsschicht­en um die Ohren gewor­fen bekom­mt. Ich darf das sagen, weil ich als Maler den unter­schied­lich­sten Menschen gegenüber­trete. Dabei ist mir aufge­fallen, dass die Gesell­schaft in den Köp­fen nach rechts driftet, während sie nach außen aber weit­er­hin links argu­mentiert. Das ist ein Tat­be­st­and, der nicht nur Deutsch­land, son­dern gerade in reichen europäis­chen Ländern zu beo­bacht­en ist und ziem­lich deut­lich in den Par­la­ment­swah­len sein­en Aus­druck findet.
Früh­er hätte ich viel­leicht knur­rend, brummend geschwie­gen und bestim­mt wurde so mein Sch­wei­gen auf der ander­en Seite gar als Zus­tim­mung gew­er­tet. Heute ver­suche ich durch meine Hal­tung zumind­est ein­en Ver­unsicher­ung­szus­tand, ein kleines Innehal­ten zu erzeu­gen, wenngleich es im schlimmsten Fall immer etwas vergeb­liches haben kann, einem Idi­oten etwas plaus­i­bel machen zu wollen.


S: Welche dieser gesell­schaft­lichen Prozesse sind für Dich hauptver­ant­wort­lich dafür, dass fast dreivier­tel der erwach­sen­en Bevölker­ung dieses unge­heuer wohl­habenden Landes sich berufen füh­len, nach immer här­ter­er Bestrafung für ein anderes Land zu schreien, ohne Rück­sicht auf die über­all sicht­bar­en Anzeichen sozialer Verelendung, aus­gelöst durch Maß­nah­men, der­en wirtschaft­liche Ver­nun­ft sicht­bar zweifel­haft ist?


…ohne Empath­ie wer­den wir nicht in der Lage sein, die Prob­leme lösen


K: Ich glaube, das hat vor allem dam­it zu tun, dass wir in zun­ehmend geschichtsloseren Zeiten leben. Hät­ten wir z.B. in Deutsch­land ein ents­prechendes Bewusst­sein, dass die Deutschen im ver­gan­gen­en Jahrhun­dert nicht nur der größte Schuld­ner war­en, son­dern mit immer­hin vier Schuldan­schnit­ten in der Zeit von 1924 bis 1953 auch durch andere Staaten regel­recht auf die Beine ges­tellt worden sind, glaube ich, dass man die heut­ige Schulden­prob­lem­atik anders disku­tier­en würde. Denn schließ­lich mussten nicht nur große Nation­en, wie die Ver­ein­igten Staaten, son­dern auch kleinere Nation­en wie Griechen­land zur Lon­don­er Schulden­kon­fer­enz von 1953 die deutsche Zeche zah­len. Hätte man hierzu­lande also ein anderes Bewusst­sein für die Ges­chehn­isse in Nach­kriegs­deutsch­land entwick­eln können, dass der spätere Wirtschaft­sauf­schwung des Landes weni­ger durch die viel zu oft beschworen­en Volk­stu­genden wie des Fleißes und des Wil­lens geschaf­fen wurde, son­dern zudem durch kon­strukt­ive Unter­stützun­gen oder Kon­junk­tur­pro­gramme des nahen und fernen Aus­lands begün­stigt worden ist, hät­ten wir in Deutsch­land eine weni­ger gleichgültigere Betrach­tung auf andere Wirtschaft­skris­en entwick­eln können.
Mit ander­en Worten: Was wir bei der Beant­wor­tung dieser und ander­er Kris­en drin­gend brauchen ist: Wis­sen und Empath­ie. Ohne Empath­ie wer­den wir nicht in der Lage sein, die Zus­pitzung der Prob­leme lösen, ganz gleich, ob wir dabei an die reine Lehren eines Milton Friedman’s oder Maynard Keynes glauben. Man schaue sich nur die welt­weit bestehenden Abhängigkeits­ver­hält­n­isse an, selbst zwei­er einst so kon­front­at­iv gegenüber­stehender Sys­tem­mächte wie China und der USA. Die Glob­al­is­ier­ung hat die Welt in einem Maße vernet­zt und in Abhängigkeiten ver­set­zt, dass es nun ein Zeichen polit­ischer Klugheit sein muss, um auf supra­na­tionale Lösun­gen durch Empath­ie zu set­zen. Wir können die heut­i­gen und mor­gigen Kris­en nicht durch simple Schuld & Sühne – Zuweisun­gen bewälti­gen. Für die Euro­zone bedeutet dies, dass sie aus den Fehlern der jun­gen Ver­gan­gen­heit lernt, dass unter der Dom­in­anz eines ein­zi­gen Nation­al­staates nicht abermals zu absurd hohen Sparmaß­nah­men gegenüber schwächer­en Eurostaaten kom­men darf. Dam­it will ich nicht sagen, dass Griechen­land keine Refor­men braucht. Dieses Land braucht unbedingt Refor­men, aber es braucht zudem ein weni­ger rasantes Tempo, das den Menschen erlaubt, diesen Weg über­haupt zu gehen. Denn jene Reform ist immer die beste, die von mög­lichst vielen Menschen getra­gen wird. Diktate wur­den seit Menschengeden­ken als nicht beson­ders kon­strukt­iv empfun­den, weil sie die Souver­än­ität des Menschen unter­g­raben. In ein­er sich for­ci­er­enden glob­alen Ver­schul­dung­skrise aber, die für Gläu­bi­ger, wie für Schuld­ner eine hohe Hürde darstellt, müssen wir let­zt­lich alle ver­stehen, dass wir uns im Sinne eines guten Kris­en­man­age­ments nicht nur ändern können, son­dern auch ändern müssen, um die Prob­leme der Zukun­ft zu bewältigen. 


S: Wie erklärst du dir aber, dass keinem EU-Kris­en­land derartig hohe Sparmaß­nah­men ver­or­d­net worden? Gibt es etwa ein Motiv von Sühne, die als Mög­lich­keits­form von Abs­chreck­ung gedi­ent haben kön­nte? Oder ist es gar nicht so? Viel­leicht müssten wir die Beant­wor­tung von mög­lichen Ursachen auch Per­son­en­bezo­gen­er führen?


K: Du hast völ­lig Recht. Welt­geschichte wurde nicht sel­ten auf­grund per­sön­lich­er Anim­os­itäten ges­chrieben. Wir können darüber nur Mut­maßen. Dar­in steckt ein all­zu­mensch­lich­er Aspekt, der in der Beur­teilung zumeist zu kurz kommt.


S: Du spielst auf das prob­lem­at­ische Ver­hält­nis zwis­chen Schäuble und Varoufa­kis an?


K: Ja. Der eine ist pro­gress­iv, der andere ist kon­ser­vat­iv. Der eine ist jung, attrakt­iv und fährt mit dem Motor­rad ins Min­is­teri­um, der andere fährt mit dem Roll­stuhl zur Arbeit. Hier­in liegt schon genü­gend Zünd­stoff vor, über den wir aber nicht weit­er spekulier­en soll­ten, weil wir zu wenig darüber wissen.


S: Es ist aber auch kein Geheim­nis, dass Wolfgang Schäuble ein Haup­tak­teur war und entscheidenden Ein­fluss auf die übri­gen Fin­an­zmin­is­ter hatte.


K: Wolfgang Schäuble ist für Deutsch­land bestim­mt ein recht ordent­lich­er Fin­an­zmin­is­ter, der zu Recht für seine Verdien­ste im eigen­en Land gewür­digt wird. Auf der ander­en Seite muss man fra­gen dür­fen, ob seine polit­ischen Fähigkeiten für ein gelin­gendes Europa aus­reichen. Denn wenn es richtig ist, dass er das Vorge­hen der EU- Schulden­prob­lem­atik bestim­mt haben soll, so muss man ihm kon­statier­en, dass er auf der großen Bühne der inter­na­tionalen Politik ein grot­tenschlechter Stratege war. Europa scheint nun mehr denn je gespal­ten und sein harter Kurs gegenüber Athen hat in Wirk­lich­keit die links­geneigten Wähler in Span­i­en und Por­tugal viel mehr stärken als schwächen können. Dadurch wird der Kampf gegen Aus­ter­ität ein­en neuen Schub bekom­men und Europa weit­ere Risse erhal­ten. Es wäre viel klüger gewesen, Schäuble wäre ver­schul­de­ten Volk­swirtschaften mit Anreizen, statt mit Bed­ro­hun­gen begegnet. Man blicke nur auf das ver­gan­gene Jahrhun­dert und die Rolle der USA, die in kluger Weise ihr­er Führung­s­rolle als dam­als jun­ger Hege­mon gen­utzt haben, in dem sie 1948 für West­europa ein 12,4 Mil­liarden Dol­lar schweres European Recov­ery Pro­gram aufgelegt und somit auch den Grundstein für Sta­bil­ität in Europa gelegt haben. Unbe­strit­ten bleibt auf der ander­en Seite ein hoher Reformbe­darf Griechen­lands. Es leidet unter ein­er aufgebläht­en Bürokratie, benötigt eine Jus­tiz- und Ren­ten­re­form. Als Kris­en­hauptver­ursach­er ver­fügt das Land über eine Mil­itärausstat­tung, die zur höch­sten inner­halb der Euro­zone zählt. Mil­itärisch ist das Land in den ver­gan­gen­en Jahren zu ein­er Großmacht geworden und ich glaube, die Fin­an­zkrise Griechen­lands hätte ver­mieden wer­den können, wenn in Vorkris­en­zeiten nicht ¼ aller Staat­sein­nah­men in den Mil­itärsek­t­or geflossen wären.


…war­um soll aus­gerech­net in Griechen­land ein striktes Aus­ter­ität­s­pro­gramm funk­tionier­en, was in keinem Land funk­tioniert hat?


Trotzdem scheint mir, als haben viele der Beteiligten kein wirk­liches Interesse, diese Aus­gaben sig­ni­fik­ant nach unten zu fahren. Die griech­is­chen Kon­ser­vat­iven nicht, die Nato nicht, die von ihren Mit­gliedsstaaten ver­langt, mindes­tens 2 Prozent des Brut­toin­land­produktes für das Mil­itär aus­zugeben sow­ie die Indus­tri­en Waf­fen­ex­por­ti­er­ender Länder wie die USA, Frankreich und Deutsch­land nicht. Aber wie soll es gehen, ein­en Haush­alt ohne Wirtschaft­swach­stum und ohne größere Anreize zu sta­bil­is­ier­en? War­um soll aus­gerech­net in Griechen­land ein striktes Aus­ter­ität­s­pro­gramm funk­tionier­en, was in keinem Land dieses Plan­eten funk­tioniert hat? Aus­ter­ität nebst unsin­ni­ger Steuer­er­höhung hat das Land leider in eine noch größere Krise mit einem noch höher­en Schulden­stand geb­racht. Seit den Spa­rau­fla­gen ist die Wirtschaft um 25 Prozent ges­chrumpft, es herrscht Jugendarbeitslosigkeit von bei­nahe 60 Prozent. In vielen Fam­i­li­en dien­en die Ren­ten, die so ganz neben­bei zum elften Mal in nur fünf Jahren gekürzt wur­den, um gan­ze Fam­i­li­en irgend­wie über Wasser zu hal­ten. Varoufa­kis hatte Recht, wenn er zu Amt­szeiten die Wirtschaft­s­pro­gnosen der Troika in Bezug zu Griechen­land als absurd hoch bezeich­nete und nach unten revid­ierte. Den­noch habe ich von der Troika oder den Insti­tu­tion­en, wie sich ja heute nennen, zu kein­er Zeit ein Eingeständ­nis von Fehlern gehört. Ein­zig der IWF hat seine Einsch­ätzung zur Trag­fähigkeit griech­is­cher Schulden kor­ri­giert, indem er nun zu einem Schuldenschnitt rät. Man muss kein Proph­et sein, um für die nahe Zukun­ft Griechen­lands wei­t­eres Ungemach zu sehen. Spä­testens dann, wenn Griechen­land Schwi­erigkeiten bei der Rück­zahlung sein­er bis 2018 anstehenden EU-Kred­ite haben soll­te. Unter dem Zauber­wort der man­gelnden Reformbereit­schaft wer­den dann die gleichen Akteure der griech­is­chen Regier­ung unter­stel­len, allein­ver­ant­wort­lich für das Scheit­ern zu sein. Dabei sind seit Aus­bruch der Krise die Realeinkom­men um 35% gesunken und das Haush­alts­de­f­iz­it kon­nte von über 15% auf 3,5 reduziert wer­den. Auf ein­en Nen­ner geb­racht, haben die Griechen seit 2008 mehr als 500 Mil­liarden ges­part. Ich kenne keine Volk­swirtschaft, die sich ein­er ähn­lichen Radikalkur unterziehen lassen hat. Gleichzeit­ig hat diese Radikalkur der Gesundung des Patien­ten nicht geholfen, son­dern geschadet, denn die Schulden stie­gen seit 2008 um sage und schreibe 80% Bruttoinlandproduktes! 
Zu gleich­er Zeit – um den Blick auf ein anderes Land zu richt­en – hat man im Jahr 2009 in Deutsch­land auf­grund der sich ein­trübenden Weltwirtschaft mit der Abwrack­prämie in ein Kon­junk­tur­pro­gramm invest­iert, dass der deutschen Wirtschaft nach­weis­lich half. 


…bin angewidert, ein­er Spez­ies anzuge­hören, die sich Europäer nennt


S: Du hast gesagt, Du sei­est immer ein großer Fan von Europa gewesen, jet­zt aber würd­est Du zun­ehmend zweifeln?


K: Ja, ich bin gegen­wärtig angewidert, ein­er Spez­ies anzuge­hören, die sich Europäer nen­nt. Dieser Kontin­ent ist im Moment nicht viel mehr als eine Kur­k­linik für Kon­sumenten. Die viel­beschworen­en Werte Euro­pas, die eine mindes­tens zweitausend­jährige Vorgeschichte haben, schein­en nur in ein paar Büch­ern zu stehen – gelebt wer­den sie in den Nation­al­staaten jeden­falls nicht. Prob­lem­be­wäl­ti­gun­gen wer­den seit Jahren in die Zukun­ft ver­la­gert – ganz gleich, ob es sich dabei um die Flücht­ling­s­prob­lem­atik oder die Eurokrise han­delt. Das Hoffnungs­volle und zugleich Erschüt­ternde ist doch, dass wir gerne europäisch, dass wir gerne inter­na­tion­al, dass wir gerne glob­al sind – solange wir eben neue Märkte erricht­en können. Der Kern jedoch, an dem Europa heute leidet ist, dass wir ganz schnell nation­al und ängst­lich wer­den, sobald die Härten der Glob­al­is­ier­ung an unsere Kom­fortzone klopfen.


S: Was, glaubst Du, wird vor allem in Griechen­land übrig bleiben vom kur­zen Früh­ling der Hoffnung, dass mit Syr­iza ein neues Politikmod­ell gegen die neo­lib­eralen Währungs- und Aus­ter­ität­shüter durch­set­zbar ist. Sieh­st Du Phäno­mene wie die über­ras­chende Kar­ri­ere von Jeremy Corbyn in Großbrit­an­ni­en, die Wahler­folge von Podemos in Span­i­en, ja selbst Bernie Sanders als Kan­did­at der US-Demokraten als ver­gleich­bar mit dem Erfolg von Syr­iza, oder bleibt das ein griech­is­cher "Son­der­weg"?


K: In allen von dir aufge­führten Ländern gibt es im Grunde ein nicht zu leugn­endes Auf­begehren gegen das neo­lib­erale Mod­ell. Zu ver­wun­dern ist es nicht, denn die Prob­leme schein­en sich in Bezug auf das neo­lib­erale Mod­ell nur zu for­ci­er­en. Gleichzeit­ig nim­mt das Unbe­ha­gen an den alten polit­ischen Eliten zu – nicht nur in den Kri­s­en­staaten. Dah­er glaube ich, dass wir von Deutsch­land bis hin zu den Ver­ein­igten Staaten erst am Anfang von polit­ischen Neujustier­ungen stehen. Auf der ander­en Seite soll­te man in puncto europäis­cher Kris­en­ländern nicht um den heißen Brei her­um­re­den und nicht zu viel erwarten. Solange die Situ­ation so ist, wie sie ist, wird Politik in europäis­chen Kris­en­ländern – vor allem in Griechen­land – weit­er­hin durch den Liquid­ität­shebel der europäis­chen Zen­t­ral­bank sow­ie den übri­gen Gläu­bi­gern und weni­ger über die jew­ei­li­gen Par­la­mente gere­gelt wer­den. Ob diese Rolle der EZB und der Demokratie zusteht und weit­er­hin zustehen soll­te, steht auf einem ander­en Blatt. Außer Frage steht auch, dass durch diesen Souver­än­itäts­ver­lust in Europa ein gefähr­liches Demokratiev­ak­uum entstanden ist, dass bei den Menschen zun­ehmend die Sin­nfäl­ligkeit von Volk­swah­len hin­ter­fra­gen lassen wird. Fakt ist aber auch, dass die Griechen ihre Link­s­reg­ier­ung wiedergewählt haben und mit dieser Wieder­wahl gleich­wohl das Tick­et für den Verbleib in der gemein­samen Eurowährung gezo­gen haben. Den­noch bleibe ich skep­tisch, ob ein Aus­tritt Griechen­lands aus der Währung­sunion nicht die bessere Altern­at­ive gewesen wäre. Mit dem Abgang von Varoufa­kis haben leider die verblieben­en Beteiligten eine Abkehr vom Euro geschickt umschif­fen können. Den­noch bleibt Syr­iza eine Mod­ern­is­ier­ung­s­partei, die für ein­en mod­ernen, kor­rup­tionsfreien Staat, sozialen Aus­gleich und immer­hin für die Wahrung von Mind­er­heit­s­recht­en steht. Ich sehe in der griech­is­chen Polith­i­er­arch­ie – auch vor dem Hin­ter­grund ein­er lan­gen kli­en­tel­istischen Tra­di­tion Griechen­lands, keine wirk­liche Altern­at­ive. Syr­izas Manko bleibt allerd­ings ihr min­i­maler Hand­lungsspielraum. Auch wenn es im Moment wenig Anlass zum Optim­is­mus gibt, bleibe ich den­noch zuver­sicht­lich, dass dem Land auf lange Sicht die Wende gelin­gen wird – auch wenn die meisten Indikatoren in eine andere Rich­tung zei­gen. Der Traum von einem leis­tungsloseren Leben ist aus­geträumt. Die Griechen wer­den gerade wach und in ihr­er Wach­wer­dung soll all­mäh­lich ein Bewusst­sein mitschwin­gen, dass sie einst unser­em Kontin­ent, dem sie Europa nan­nten, Kul­tur ges­chen­kt haben. Darüber hinaus haben die Griechen doch nicht nur die Tragödie, son­dern auch die Komödie erfun­den. Und: Griechen­land hat uns auch gezeigt, wie man durch schwere Kris­en gehen kann, ohne dass die Demokratie geschwächt wird. Das ist schon ein Pfund. Wir wollen uns nicht vor­stel­len, was in Deutsch­land passiert wäre, wenn den Menschen ver­gleich­bare Einsch­nitte aufge­bür­det wären. Insofern bleibe ich für Griechen­land gelassen.
Soweit ich Podemos in Span­i­en beur­teilen kann, agiert sie weni­ger pro­gram­mat­isch als die griech­is­che Schwest­er­partei. Beiden gemein­sam ist ihr Affront gegen das polit­ische Estab­lish­ment. Im Unter­schied zu Syr­iza lehnt Podemos allerd­ings eine Zusammen­arbeit mit den polit­ischen Eliten des Landes strickt ab, set­zt aber gleich­sam auf wirtschaft­spolit­ische Kontinu­ität. Aus mein­er Sicht drückt sich hier ein polit­ischer Unwille aus, der die Gesell­schaft Span­i­ens in eine unfrucht­bare Links/​Rechts Spal­tung führen kann, denn vorder­gründi­ger Pop­u­lis­mus wird nicht reichen, um die Geschicke Span­i­ens in mildere Fahr­wasser zu brin­g­en. Gleich­wohl müssen von New York bis Mad­rid heute und in Zukun­ft lösungsor­i­enti­er­ende Ansätze gefun­den wer­den, als im fortwährenden Ver­t­agen von Prob­le­men, um die leider chron­isch wer­denden Kris­en, wie Anstieg der Welt­bevölker­ung, Anstieg der Ges­amtver­schul­dung und der zun­ehmenden Ungleich­heit von Ver­mö­gen und Einkom­men end­lich anzuge­hen. Alles in allem bleibe ich aber doch skep­tisch, nicht weil ich Geschicht­spess­im­ist bin, son­dern Geschicht­s­real­ist bin. Schließ­lich ist der Mensch nicht nur ein Wesen, das nach Erken­nt­nis und Erfahrung strebt, es ist auch ein Wesen, das Erfahrung und Erken­nt­nis in einem erheb­lichen Maße zu ver­meiden sucht. Was ihn aber let­zt­lich immer getrieben hat, war pure Not.


S: Bei den "viel­beschworen­en Wer­ten" Euro­pas, die auch Du mit gewis­sem Pathos bemühst, müssen wir m.E. präzis­ier­en, denn immer­hin ist im Namen ein­i­ger dieser Werte ein blut­triefend­er Kontin­ent in der Geschichte entstanden, ob gegen sich selbst oder nach außen gerichtet. Müssen wir nicht eher über die Werte selbst sprechen, sie deut­lich ben­ennen, die wir ver­tei­di­gen wollen, nicht nur als selb­stge­fäl­lige Ric­ola-Europäer (Wer hat’s erfun­den?), son­dern in offen­er Aus­ein­ander­set­zung auf Augen­höhe mit ander­en Kul­turen – unter den Stich­worten z. B. Menschen­rechte/-würde, Solid­ar­ität, Aufklärung, Universalismus? 


K: Klar, denn jede noch so gute Staats­ver­fas­sung existiert nicht, weil sie ges­chrieben wurde, son­dern weil sie auf Wer­ten basiert, die zuvor von ander­en Menschen und nicht sel­ten blutig erkäm­pft wur­den. Zwar ist der mod­erne Staat auf den Fun­da­men­ten des Christ­entums entstanden, es darf allerd­ings angez­weifelt wer­den, ob ein freiheit­lich­er Staat gän­z­lich auf Reli­gion­swerte ver­zicht­en kann. Und wenn wir über Werte sprechen, dür­fen wir die Zivilre­li­gion­en nicht ver­gessen, die bereits vor dem Christ­entum existier­ten. Denn mor­al­isch kon­nten die Menschen bereits dam­als zwis­chen gut und nicht gut unter­scheiden. Insofern bilden die Werte Euro­pas, die Summe aller reli­giösen und nichtre­li­giösen Errungenschaften zu einem humaner­en Leben. Das oft ange­führte europäis­che Wer­te­ba­ro­met­er mit sein­en ein­zelnen Pfeilern aus Demokratie, Solid­ar­ität, Rechtsstaat­lich­keit usw. bleibt let­zt­lich phrasen­haft, wenn die ein­zelnen Pfeiler nicht mit weit­er­en Erzählun­gen, weit­er­en Geschicht­en verknüpft wer­den. Solange dieser Zusam­men­hang nicht herges­tellt wird, können wir unsere Werte nicht leben, weil wir sozus­agen den Boden, aus dem diese Werte her­vorgegan­gen sind, nicht mehr sehen. Insofern laufen wir heute Gefahr, dass das Amal­gam, aus dem die Gesell­schaft ihren Kon­sens zu bilden ver­sucht, brüchig wird. 
Auf ein­en Nen­ner geb­racht, steckt in dem Satz von der Unant­ast­barkeit mensch­lich­er Würde sozus­agen die kul­turelle Leis­tung unseres ges­amten Kontin­ents, steckt das Träu­men Homers, Pla­tons politeia, Artistoteles’ zoon polit­con , dar­in die soziale und polit­ische Beschaf­fen­heit des Menschen bes­chrieben wird, im Grunde der gan­ze Kos­mos anti­ker Weisheitslehre bis hin zu Seneca, steckt Augustinus und sein Gottesstaat, steckt Diderot und seine enzyc­lopédie undsofort.
Trotz allem hat – wie du richtig sagst – das blut­triefende let­zte Jahrhun­dert gezeigt, wie schnell die Werte Euro­pas ver­schüt­tet wer­den können


S: Als Lösun­gansatz für Nah- und Fernkon­f­likte bzw. ihr­er Ver­meidung appel­li­erst Du an die Empath­ie, als indi­vidu­elle mensch­liche Fähigkeit, die Befind­lich­keiten und Interessen des Ander­en in sein eigenes, koop­er­at­ives Han­deln mit­füh­lend einzubeziehen.
Das ist, viel­leicht mit Aus­nahme dip­lo­mat­ischer Good­will-Inszen­ier­ungen, sich­er keine anerkan­nte Schlüs­selkom­pet­enz polit­ischer Macht­lo­gik (oder wenn, nur als per­ver­tierte Sozi­al­tech­nik in Form polit­ischer Macht­spiele). Wir sehen es exem­plar­isch an der forts­chreit­enden Demont­age ein­er (allem Anschein nach anfangs) mit Empath­ie agi­er­enden Angela Merkel. 
Auch die Markt­lo­gik als Kamp­fzone größt­mög­lich­er Vorteils­sicher­ung ist geradezu das Gegen­mod­ell koop­er­at­iven, emphat­ischen Han­delns, bestim­mt aber mehr als jede Politik das glob­ale Geschehen.
Eine Fol­ger­ung kön­nte sein, repräsent­at­iver Politik durch rationaleres, sprich emphat­isches und cour­agiertes Bür­ger­han­deln ein Gegengewicht zu geben?


K: Ich sage ledig­lich, dass es auf­grund der welt­weiten Abhängigkeits­ver­hält­n­isse für alle Beteiligten bess­er ist, von vornherein auf Empath­ie, auf Koop­er­a­tion zu set­zen, auch weil im Mitein­ander weni­ger Kon­f­likt­bereit­schaft besteht und uns die Zukun­ft ohne­hin zu Koop­er­a­tion­en zwin­gen wird. Mit ander­en Worten: Wir sitzen alle im gleichen Boot. Ration­al­ität und Empath­ie sehe ich zwar nicht unbedingt als Begriff­spaar, aber wenn du so willst, zwingt uns früh­er oder später ohne­hin die Real­ität zur Logik von Kooperationen.


S: Schon jet­zt zeich­net sich ab, dass diese Repub­lik eine Zäsur erlebt, emo­tion­al polar­is­iert, begriff­lich ver­wir­rt, im Han­deln erbit­tert. In welch­er Dram­atik das ver­läuft, ist noch nicht aus­gemacht. Hät­test Du nach der bru­talen Entsolid­ar­is­ier­ung im Fall Griechen­lands seitens der Politik in traut­er Ein­tracht mit 75% von Volkes Zus­tim­mung als Gegen­pol im let­zten Herbst die Bereit­schaft großer Teile der bür­ger­lichen Schicht­en, Flücht­lingen aus den Kriegs- und Verelendungs­ge­bi­eten des Nahen Ostens und Afri­kas Auf­nahme zu gewähren, für mög­lich gehal­ten? Und wie erklärst Du Dir das?


Im Grunde sind wir alle Neger


K: Um ehr­lich zu sein, hat mich Merkels Hal­tung am meisten über­ras­cht. Ich habe mich oft gefragt: War­en es rationale Motive? War­en es emo­tionale Motive? War es eine Mis­chung aus beiden? Ging das im Aus­land entstandene Bild von der küh­len deutschen Prot­est­antin ihr gehörig auf den Keks? Wie dem auch sei: Aus ein­er Ver­wun­der­ung ist eine Bewun­der­ung geworden. Hinter ihr­em Entschluss steckt ein polit­ischer Wille, obwohl ihre Begriffe von Ein­wan­der­ung und Asyl immer noch nicht hin­reichend unter­schieden wer­den. Und ja, in ihr­em Han­deln steckt auch ein Ges­tus der Empath­ie. Ihr Mut ist erstaun­lich, wenngleich jeder gewoll­ten Ein­wan­der­ung natür­lich auch die Mög­lich­keit zur Integ­ra­tion durch Arbeit Fol­gen muss, weil andern­falls die Flücht­linge in einem ganz ander­em Maße stig­mat­is­iert zu wer­den dro­hen, als wir uns das heute vor­stel­len können. Ja, um auf deine Frage zurück­zukom­men, nicht unwesent­liche Teile der deutschen Gesell­schaft stehen für eine Willkom­menskul­tur, andere Teile polem­is­ier­en und mobil­is­ier­en gegen Flücht­linge. Bei allen lobenswer­ten Bemühun­gen und Hil­feleis­tun­gen der deutschen Zivil­gesell­schaft, wollen wir nicht ver­sch­wei­gen, das im Jahr 2015 ca.1000 Über­griffe mit rassistischen Tat­mot­iven zu regis­tri­er­en war­en. Auch das gehört leider zur Real­ität. Ich bin dah­er nicht der Mein­ung, dass Bunde­spräsid­ent Gauck Recht hat, wenn er das Land in Hell- und Dunkeldeutsch­land unter­teilt, denn am recht­en Rand wer­den immer deut­lich­er Parolen aus­ge­sprochen, die vom Kern der Gesell­schaft offen­bar akzep­tiert wer­den. Deutsch­land ist weder hell, noch dunkel. Deutsch­land ist Helldunkel. Und es ist seit den 60er Jahren Ein­wan­der­ungs­land. Jeder sech­ste Bewohner Deutsch­lands besitzt ein­en Migra­tion­shin­ter­grund. Prob­lem­frei war­en Migra­tions­be­we­gun­gen nie, im übri­gen auch nicht bei jen­en Reichs­deutschen, die nach dem Ende in ihre Heimat kamen. Prob­lem­frei war­en auch die Anwer­be­maß­nah­men der Gastarbeit­er durch die junge Bundes­rep­ub­lik Mitte der Fün­fzi­ger bis Anfang der Siebzi­ger nicht. Trotzdem lässt sich in der Geschichte der Bundes­rep­ub­lik keine ein­zige Migra­tions­be­we­gung find­en, die als ges­cheit­ert zu bezeichnen wäre. Wäre es aber heute nicht an der Zeit ein neues Bewusst­sein dafür zu schaf­fen, dass es gerade infolge jahrtausender Völker­wan­der­ungen immer schon ein große Idi­otie gewesen ist, vom rein­en Deutschen, vom Biodeutschen, vom Bio­griechen oder vom Biospan­i­er, zu reden? Mein­en wir ern­sthaft, in uns fließe infolge gigantischer, jahrtausend­al­ter Völker­wan­der­ungen nicht auch das Blut ander­er Eth­ni­en. Wer weiß eigent­lich, dass Charlie Chap­lin, Elvis Pres­ley oder Ron Wood von den Rolling Stones ein­en Roma- Hin­ter­grund hat­ten, wer weiß, dass Steve Jobs einem syr­ischen Vater ents­prungen ist? Mit ander­en Worten: Die Rein­heit des Blutes ist immer schon ein großer Non­sens gewesen. Betrachtet man die Medaille von der ander­en Seite und fol­gt diesem Gedanken­ex­per­i­ment bis tief hinein in die Ursprünge unser­er mensch­lichen Zivil­isa­tion, so kön­nte man – wenn auch mit ein­i­ger Über­spitzung sagen: Im Grunde sind wir alle Neger.

Aris Kalaizis, 2015 | Öl auf Holz | 65 x 100 cm | 2015
Aris Kalaizis, 2015 | Öl auf Holz | 65 x 100 cm | 2015

S: Das wird mir jet­zt zum Schluss zu appel­lat­iv. Noch­mal die Frage: Wie würd­est Du polit­isch das auf den ersten Blick ent­ge­genge­set­zte Reak­tionsmuster eines großen Teils der Bevölker­ung ana­lysier­en: hier Griechen­land als Sammlung unwür­di­ger Kret­ins, dort Kriegs­flücht­linge als Objekt der Solid­ar­ität – auch wenn sich das derzeit massiv zurückentwickelt?


K: Ver­wun­dert dich das Reak­tionsmuster tat­säch­lich so sehr? Wenn den Menschen fortwährend von sogenan­nten Hil­f­spaketen erzählt wird mit den­en der Ver­schwender­grieche in der Euro­zone gehal­ten wer­den soll, wenn ihnen zudem sug­ger­iert wird, dass der Grieche ja angeb­lich ein 13. Gehalt bez­iehen soll, früh­er als in Deutsch­land in Rente gehen soll und obendrein auch noch mehr Pen­sion­szahlun­gen erhält. Viel­leicht sind Lügen wider­lich. Wider­lich­er sind aber immer jene Lügen, die geglaubt werden.


S: Wirkt Empath­ie, ich muss noch­mal auf diesen Begriff zurück­kom­men, dem­nach nur als hand­lungsleitendes Prin­zip bei direk­ter Anschauung, versagt aber angesichts von mit­tel­bar­en, unver­standen­en Kon­f­likten und über­lässt Ignor­anz bzw. Anti­path­ie den Raum?
Verblassen mor­al­is­che Hand­lung­s­präfer­en­zen je mehr Ver­p­f­lich­tung daraus entspringen?


K: Wir wollen nicht nach Sternen gre­ifen. Empath­ie wird niemals zu einem ges­amt­gesell­schaft­lichen Mod­ell tau­gen. Sie soll­te nur ein Mod­ell zur Hand­lung­s­prax­is von Politik sein. Wie wichtig so ein Mod­ell sein kön­nte, zeigt sich gerade im Scheit­ern von Prob­lem­lösun­gen: Hat man in Bezug zu den ersten Flücht­ling­swel­len im Zen­trum Euro­pas nicht über Jahre die Hil­ferufe aus Itali­en und Griechen­land ignor­iert? Später hat die gleiche europäis­che Alli­anz der Ignor­anz ein Dub­lin-Abkom­men ersonnen und gleich­sam per­ver­tiert, dass die ohne­hin durch die Eurokrise in Mitleidenschaft ger­aten­en Erstankun­fts­mit­tel­meer­staaten noch mehr zwang, allein­ver­ant­wort­lich zu sein. Mit ein­er Politik des Auf- und Weg­schiebens erhöhen sich aber weit­ere Gefähr­dung­spo­ten­ziale. Zur gleichen Zeit haben die Hand­lungs­mächti­gen den mit­tler­weile fün­fjährigen und sehr kom­pliz­ier­ten syr­ischen Krieg bil­li­gend gewähren lassen? Nun, wo die syr­ischen Bür­gerkriegs­flücht­linge an unsere Tür klop­fen, fra­gen wir uns erstaunt nach den Ursprün­gen von Krieg und Ver­treibung. Ignor­anz und Gleichgültigkeit funk­tionier­en als Paar immer nur solange sie von den tat­säch­lichen Prob­le­men der Menschen iso­liert bleiben. Auf der ander­en Seite gibt es in ein­er kon­f­liktreichen arabis­chen Welt auch hoffnungs­volle Blüten, die wir nicht weit­er ver­trocknen lassen soll­ten. Man schaue weit­er­hin staun­end auf das kleine Tun­esi­en, in dem die mit­tler­weile vierte Ver­fas­sung ver­ab­schiedet wurde, in dem u.a. Wahlrecht und die Gleich­heit von Mann und Frau ver­ankert ist. Statt die Tun­esi­er in bilat­erale Bez­iehun­gen zu ver­stricken, die dem Land Wach­stum und Prosper­ität ermög­lichen kön­nte und somit gleich­sam ein­en gan­zen Kontin­ent ermun­tern kön­nte auf dieses Land zu schauen, tun wir nichts der­gleichen. Wir lassen dieses Volk in sein­er für diesen Kontin­ent sin­gulären Forts­ch­rit­t­lich­keit alleine, ermög­lichen erst dadurch rück­wärts­ge­wandten Strömun­gen Fuß zu fassen. Eine Politik der Ignor­anz wer­den wir uns nicht länger erlauben dür­fen. Schließ­lich kom­men viele Kon­f­likte und Errungenschaften aber von weit her, bahnen sich an – noch bevor sie zum Aus­bruch kom­men. Wir haben Philo­soph­ie, wir haben Sozi­olo­gie, wir haben Lit­er­at­ur und der­gleichen mehr und ihre heraus­ra­gend­sten Ver­treter bes­chreiben dies in ihren Tex­ten lange vor den Ereign­is­sen. Mit ander­en Worten: Es ist nie verkehrt, wenn Politik in ihr­em Ver­mö­gen empath­isch zu sein, in ein­en viel größer­en inter­kom­munikat­iven Aus­tausch gelan­gen kön­nte, als sie dies in der Ver­gan­gen­heit gezeigt hat. 


S: Wird die cour­agierte Zivil­gesell­schaft nicht auch das von Dir bes­chriebene diskur­s­ive Lösungs­duo: Wis­sen und Empath­ie tenden­zi­ell zugun­sten polit­ischer Macht­lo­gik aufgeben müssen, um gegenüber dem Ansturm der immer bru­taler wer­denden recht­en "Wer­tever­tei­di­gung" auch nur den Hauch ein­er Chance zu haben? 


K: Eines dürfte klar sein: Wir wer­den viel ver­lier­en, wenn es uns nicht gelingt mit Mut und Verve dem Kleingeist aller Gesell­schaftsschicht­en die Schranken zu weis­en. Let­zt­lich ist die Wei­marer Repub­lik nicht an sich, son­dern an dem Umstand ges­cheit­ert, dass nicht genü­gend Demokraten da war­en, die für sie einstanden. 


S: Du hast im let­zten Jahr mit dem bezeichn­enden Titel „2015“ ein Bild gemalt, das apokalyptische Züge auf­weist. Trotzdem gibt es in diesem Bild das Motiv der Hoffnung. Darf ich dich direkt fra­gen, wie du die weit­ere Entwicklung siehst? 


Es geht nicht um eine gerechte Gesell­schaft. An so etwas glaube ich nicht


K: Ich habe kein­en Welt­plan. Mein Vater hat mich aber zei­tlebens mit der sch­licht schein­enden Lebens­maxime von Leben & Leben lassen, erzo­gen. Ich glaube, er erwäh­nte diesen Begriff immer dann, wenn die Ereign­isse im Klein­en und Großen zu große Ungleichgewichte offen­barten. Um nicht falsch ver­standen zu wer­den: Es geht mir nicht um eine gerechte Gesell­schaft. An so etwas glaube ich nicht, zumal eine gerechte Gesell­schaft auch keine Kunst und keine Philo­soph­ie braucht. Leben & Leben lassen meint mehr und in einem ganz und gar ver­nün­fti­gen und nach­haltiger­em Sinne, dass etwa dem Hüh­nerzüchter in Ghana erlauben kön­nte, von sein­er Arbeit zu leben, wenn wir nicht wollen, dass ihm weit­er seine Lebens­grundla­gen entzo­gen wer­den und er am Ende bei uns sein Glück suchen muss. Denn im Grunde braucht er keine einheimische 
Agrar­sub­ven­tion, um mit den sub­ven­tionier­ten Häh­nchen aus Europa und Nor­damerika konkur­ri­er­en zu können, er braucht ledig­lich das simple Ver­ständ­nis der eben­falls produzi­er­enden Big Play­er, dass der west­a­frik­an­is­che Bauer von sein­er Arbeit leben will und soll. 
Oder den­ken wir noch ein­en Moment an die mit­tler­weile glob­ale Ver­schul­dung­skrise und die oft namen­lose, kleine Schar super­reich­er Gläu­bi­ger, die jene in Kred­it ger­aten­en Staaten zwin­gen, ihren alten Zinns­for­der­ungen zu ents­prechen. Auch hier wird man zu Kom­promis­sen bereit sein müssen, soll die Karre nicht vor die Wand gefahren wer­den. Denn oft ist ein bis­schen weni­ger auf lange Sicht eben doch mehr. 


S: Ist für dich die Tat­sache, dass wir als deutsche Europäer in den ver­gan­gen­en Jahren in einem polit­ischen Pampers-Zus­tand gelebt haben, und nun klar wird, dass wir doch inmit­ten glob­al­is­iert­er, z.T. durch uns bil­li­gend in Kauf gen­om­mene Kon­f­likte und bluti­ger Aus­ein­ander­set­zun­gen leben, eher ver­unsich­ernd und läh­mend oder sieh­st Du in diesem Ein­bruch bru­taler "Welt da draußen" etwas Forderndes und, ja auch Bereicherndes?


K: Wir müssen uns ändern und wir soll­ten keine Angst dav­or haben. Wir bekla­gen zu Recht die man­gelnde Steuer­mor­al in nicht weni­gen europäis­chen Ländern, während wir schein­hei­lig die Augen dav­or ver­schließen, dass sich zu den alten, unver­hohlen neue europäis­che Steueroasen hin­zugesel­len. Es war in diesem Zusam­men­hang interess­ant zu hören, wie kürz­lich ges­chehen in ein­er deutschen Talk­show, dem Ex-Fin­an­zinin­is­ter Varoufa­kis vorge­wor­fen wurde, er hätte während sein­er Amt­szeit nichts unter­nom­men, um reiche Griechen zu besteuern. Darauf­h­in ant­wor­tete Varoufa­kis einem deutschen Euro­paabgeord­neten, dass er Brüs­sel bereits in der ersten Woche sein­er Regier­ung­szeit ein­en Vorsch­lag zur Besteuer­ung reich­er Griechen vor­legte, Brüs­sel aber diesen Vorsch­lag ablehnte. Mit ander­en Worten: Es ist viel Heuchelei im Spiel. Wenn das Edel­rit­ter­tumge­habe aus Brüs­sel nicht end­lich auf­hört, kann aus ein­er momentan modis­chen Demokratie- und Staats­ver­drossen­heit nur eine Chron­is­che wer­den. Gleich­sam soll­ten wir, um auf die Maxime von Leben & Leben lassen zurück zu kom­men, nicht die Augen dav­or ver­schließen, dass das gigantische Nach­kriegswirtschaft­swach­stum des ver­gan­gen­en Jahrhun­derts eben auch Opfer ver­ursacht hat. Gewiss hat es vielen Wohl­stand bes­chert, ein­en weni­gen Reichtum, manch ander­em Erd­be­wohner hat es aber tat­säch­lich weni­ger geb­racht und unser­er Natur defin­it­iv geschadet. Viel­leicht müssten wir in Zukun­ft klarer vor Augen haben, dass unser Han­deln durchaus ungewün­schte Kon­sequen­zen erzeu­gen können, wenn etwa ein Han­delsüber­schuss in einem Land an ander­er Stelle eben ein Han­dels­de­f­iz­it erzeugt und wir soll­ten unter den Kri­ter­i­en der Aus­ge­wo­gen­heit dafür sor­gen, dass dieser Spread nicht zu groß wird – immer voraus­ge­set­zt, wir wollen nicht in noch größere Kris­en geraten.

Ich will ein kur­zes Bespiel geben: Vor einem knap­pen Jahr bin ich mit dem Auto durch ver­schiedene Länder Euro­pas gefahren, um let­zt­lich ins griech­is­che Pilionge­birge zu gelan­gen. Auf dem Weg dor­thin machte ich Sta­tion in Bud­apest und Bel­grad. Es war über­all das gleiche Bild: Die Straßen zu den Städten war­en flankiert durch große aus­ländis­che Wer­betafeln, zumeist Ban­ner deutscher Großun­terneh­men. In den Städten habe ich dann jew­eils ein­en deutschen Lebens­mit­teldis­counter und eine deutsche Dro­geriemark­tkette besucht. Im Dis­counter fand ich so gut wie keine ein­heimis­che Produkte. Schlim­mer jedoch war der Besuch in der Dro­ger­ie, in der man tat­säch­lich nur deutsche Produkte kaufen kon­nte und kein ein­ziges Region­al­produkt fand. Da habe ich mich gefragt, wie soll das Europa von mor­gen funk­tionier­en? Ich glaube nicht, dass ein Europa, das sich zun­ehmend als Aus­wei­tung der Kon­sumzone ver­steht, auf Dauer über­lebens­fähig sein wird. In Bezug dazu und infolge mein­er Beschäf­ti­gung mit der Griechen­land­krise musste ich leider auch erfahren, dass Staaten wie Span­i­en oder Griechen­land nach ihr­em EU-Beitritt Anfang der 80iger Jahren, eine „indus­tri­elle Umstruk­tur­i­er­ung“ aufer­legt wurde. Das war­en EU-Aufla­gen, die dazu führen soll­ten, jene Staaten unter dem Label der „Mod­ern­is­ier­ung“ in Dienstleis­tungs­gesell­schaften zu über­führen. Die ohne­hin schon rudi­mentären Indus­tri­en fielen aber gän­z­lich weg und wur­den nicht erset­zt. Auf der ander­en Seite darf man auch nicht ver­sch­wei­gen, dass die europäis­chen Struk­turfonds in puncto Gesund­heit, Infrastruk­tur und Bildung ja auch viel Gutes bewirkt haben. 


S: Darf ich zum Abschluss noch­mal den Bogen zu mein­er ersten Frage etwas direk­ter spannen, was Malerei oder du als Maler in diesem Klärung­s­prozess bewirken kannst?


K: Ich gehe nicht dav­on aus, dass Malerei den Menschen zu einem besser­en Wesen ver­helfen kann. Ich glaube aber sehr wohl, dass durch Malereien, Lit­er­at­uren sow­ie durch Kul­tur im Allge­mein­en das Bes­ti­al­is­che im Menschen gekit­tet wer­den kann. Dah­er wollen wir uns lieber nicht vor­stel­len, wie die Welt ohne Kunst aussähe…

Stephan Schwardmann und Aris Kalaizis in der KREUZER-Redaktion 2016
Stephan Schwardmann und Aris Kalaizis in der KREUZER-Redaktion 2016

©2016 Aris Kala­izis | Stephan Schwardmann

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